Voll bepackt mit ihren Instrumenten lief die Piggenband im Ahrtal zur nächsten Straußwirtschaft, als sie von einer 92-jährigen Frau entdeckt wurden, die in ihrer Haustür stand – und die Musikerin und Musiker prompt bat, einen Walzer zu spielen. Die Band ließ sich nicht zweimal bitten und organisierte noch schnell einen Tanzpartner. „Und wenn man dann einmal anfängt zu spielen. . .“, sagt Bandmitglied Petra Dillmann, als sie von dem Zusammentreffen erzählt. „Plötzlich war die ganze Nachbarschaft da.“
Inklusive der Weinkönigin, die zugleich Enkelin der Walzer-Freundin ist. Gut eine Stunde lang dauerte das Spontan-Konzert der Piggenband. Allein damit dürften die Musiker aus Nordwalde und Umgebung ein Ziel ihrer Fahrt erreicht haben: den Menschen eine Freude bereiten, die vor zwei Jahren von dem Hochwasser im Ahrtal betroffen waren.
Die Band hatte aber noch mehr Ziele für ihre dritte Reise in die Region: Wie schon bei den beiden Malen zuvor übergaben die Musiker Spenden an die Flutopfer. 7140 Euro überreichten sie an sieben Personen, deren Weinbetriebe oder Häuser zerstört wurden. Bei den Menschen vor Ort hatte sich die Piggenband informiert, wer die Hilfe am meisten gebrauchen könnte. „Wir fahren mit viel Geld los, das die Leute gespendet haben, und wollen das auch da abgeben, wo es brennt“, sagt Klaus Allendorf, wie Dillmann einer der Musiker.
Es waren erneut bewegende Geschichten, die sie von den Betroffenen hörten. Bei mehreren kamen zu den Flutfolgen noch Todesfälle hinzu. Wie bei der Frau, deren Straußenwirtschaft völlig zerstört wurde und der lediglich die Weinstöcke geblieben sind. Vor wenigen Monaten hat sie dann noch ihren Mann verloren und vor einigen Tagen ist ihre Schwester verstorben. Einen geplanten Spieltermin verschob die Piggenband auf Wunsch der Familie auf einen späteren Termin. „Denen war nicht mehr nach Musik zumute“, sagte Dillmann. Das Geld überreichten die Musiker natürlich trotzdem.
Bei einer weiteren Familie, an die gespendet wurde, liegt der Winzerbetrieb direkt an der Ahr. „Bis heute verkaufen die noch ihren Wein aus Containern“, erzählt Dillmann. Die Piggenband unterstützte auch eine Frau, deren Wohnhaus tief im Tal liegt und das bis heute nicht bewohnbar ist. Auch das Haus ihrer Tochter wurde zerstört. Vor wenigen Wochen verstarb dann noch ihr Mann. Und eine Familie traf es besonders hart. Zu den Flutschäden kamen noch Handwerker, die sie beim Wiederaufbau des Hauses betrogen, erzählen Dillmann und Allendorf. Was manche erlebt haben, sei in Worten gar nicht wiederzugeben, sagt Dillmann.
All den Menschen konnte die Piggenband helfen, weil wieder viel gespendet wurde. Bereits in Nordwalde war einiges zusammengekommen, erstmals sammelten die Musiker dann auch am Rotweinwanderweg Geld, wo sie am Samstag und am Sonntag stundenlang spielten. Rund 2000 Euro sammelten sie dabei. Viele Wanderinnen und Wanderer machten eine Pause, schunkelten und tanzten. Manche steuerten den Standort der Band gezielt an, wenn sie diese aus der Ferne hörten, während die Musik durch das Tal schallte.
Während es am Samstag noch sonnig war, gab es am Sonntag ein paar Schauer und war es deutlich kühler. Dennoch zogen die Musiker ihr Programm durch. Und erlebten sogar noch eine besondere Begegnung. Denn plötzlich stand die Schauspielerin Mariele Millowitsch vor ihnen und wünschte sich ein Ständchen für ein Geburtstagskind aus ihrer Wandergruppe. Der Mann spielte später sogar selbst noch ein Lied mit der Piggenband.
Am Montag fuhren die Musiker dann wieder nach Hause. Es ist die letzte Fahrt dieser Art von der Band gewesen, die selbst viel Zeit und eigenes Geld darin investiert hat. Aber es hat sich gelohnt. Gut 33.000 Euro haben die Musiker in den drei Jahren überreichen können und damit konkret betroffenen Familien geholfen. „Unheimlich stolz“ und dankbar sind Petra Dillmann, Klaus Allendorf und Co. allen Menschen aus Nordwalde und Umgebung, die das mit ihrer Spende möglich gemacht haben.
Für die Piggenband ist auch klar: „Unsere Verbundenheit wird für alle Jahre bestehen bleiben“, sagt Dillmann. Sie würde sich auch freuen, die Leute wiederzutreffen, vielleicht irgendwann auch in Nordwalde. Der Wiederaufbau wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Für alle, die dabei weiter helfen wollen, haben Dillmann und Allendorf einen Rat: ein Besuch im Ahrtal, vielleicht mit einer Wanderung auf dem Rotweinwanderweg. „Die leben halt vom Tourismus“, sagt Allendorf. „Letztendlich ist das ja eine wunderbare Region.“
Quelle WN 19.10.2023